18.06.2022 | Die Berliner Großbahnhöfe haben sich in den letzten Monaten verändert. Seit Ende Februar kommen dort täglich tausende Schutzsuchende aus dem Krieg in der Ukraine an. Konkret am Hauptbahnhof, dem ZOB, Südkreuz und früher auch am Ostbahnhof. Wenn sie dort aussteigen, werden sie von Freiwilligen in farbigen Westen empfangen, die ihnen bei ihrer weiteren Reise helfen.
Denn tatsächlich will der überwiegende Teil gar nicht in Berlin bleiben, sondern weiterfahren zu Freunden oder Bekannten, die sie in Deutschland oder im europäischen Ausland haben. Die Freiwilligen helfen dann u.a. bei der Ticketorganisation oder beim Wunsch nach Unterkunft. Sie haben „Safe-Spaces“ kreiert, für vulnerable Gruppen, aber auch Orte für eine erste Medizin- und Essensversorgung. Letzteres, zumindest am Hauptbahnhof, auch inzwischen in Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat.
Denn das sollte nicht immer so sein. Zu Beginn gab es kaum Unterstützung. Später wurden Forderungen der Freiwilligen vom „Berlin Arrival Support“ komplett ignoriert. Beispielsweise als der Senat die Essensverteilung übernahm, merkten sie am ersten Abend, dass sie zu wenig vorbereitet hatten. Um 22 Uhr war bereits alles verbraucht. Hunderte Menschen, die teilweise seit Tagen nichts Richtiges gegessen hatten, waren noch im Bahnhof, der letzte Zug mit über 1.000 Geflüchteten war da noch nicht einmal angekommen. Die Freiwilligen hatten genau davor gewarnt und nur ein riesiger Spendenaufruf von ihnen sorgte dafür, dass der Senat sich nicht komplett blamierte. Inzwischen hat sich die Kommunikation verbessert. Trotzdem bleibt es wünschenswert, dass der direkte Austausch mit den Freiwilligen weiter genutzt wird und ihre Stimmen gehört werden.
Es gilt schließlich Menschen ein würdiges Ankommen zu ermöglichen. Menschen, die teilweise Dinge in den letzten Tagen, Wochen und Monaten erlebt haben, die wir uns in unseren schlimmsten Träumen nicht vorstellen können. Es ist das Mindeste, was wir tun können.
Damit das so bleibt werden weiterhin Freiwillige gesucht. Viele werden müde, bei anderen schwindet die Motivation. Deswegen final noch eine persönliche Bitte:
„Liebe NaturFreund*innen, falls ihr Kapazitäten habt, kommt zu den Berliner Bahnhöfen und packt mit an!
Ich selbst bin seit Ende Februar einer dieser Freiwilligen, auch als Koordinator an verschiedenen Standorten. In Absprache mit meinen Kolleg*innen aus dem NaturFreunde Büro und dem Kiez-Parklet-Projekt, konnte ich dankenswerter Weise den März über dafür die Arbeit ruhen lassen. Das ist generell nicht notwendig, nur ein paar Stunden eurer Zeit können eine große Hilfe sein. Auch bei mir laufen Arbeit und das Freiwilligendasein an den Bahnhöfen inzwischen parallel. Voraussetzungen gibt es keine, euch wird alles erklärt. Wichtig sind nur ein offenes Herz und die Solidarität mit allen Schutzsuchenden, unabhängig von Herkunft, Aussehen und sexueller Orientierung. Danke euch! Дякую!“
Mehr Infos gibt es online unter info.arrivalsupport.berlin
Leander Buchenau
aus: WanderfreundIn 02-2022