24.02.2023 | Von Daniela Dreißig
amerika21
Tegucigalpa. Der Nationalkongress von Honduras hat mit den Stimmen von 117 der 128 Abgeordneten 15 Richter:innen für den Obersten Gerichtshof gewählt. Sie wurden noch in derselben Sitzung für die nächsten sieben Jahre vereidigt. Die frisch Gewählten ernannten die von der Regierungspartei Libre aufgestellte Rebeca Ráquel Obando zur Präsidentin.
Die drei stärksten Fraktionen im Parlament, die Partei von Präsidentin Xiomara Castro (Libertad y Refundación, Libre), die Nationale Partei (PNH) und die Liberale Partei (PLH) hatten jeweils die Listen mit ihren Wunschkandidat:innen veröffentlicht. Umstritten war besonders die Aufstellung des stellvertretenden Generalstaatsanwaltes Daniel Sibirian Bueso, der als Verbündeter des in New York wegen mutmaßlichen Drogenhandels inhaftierten ehemaligen Präsidenten Juan Orlando Hernández (PNH) gilt.
Die Auswahl der aufgestellten Richter:innen fand in einem relativ transparenten Prozess durch den Nominierungsausschuss statt. Kandidat:innen wurden in Bezug auf ihre berufliche Karriere und ethische Hintergründe geprüft. Unregelmäßigkeiten und offizielle Klagen gegen die Anwärter:innen wurden geprüft, anerkannt oder zurückgewiesen.
Trotz dieses Vorgehens gehören dem neuen Gerichtshof Richter:innen an, die im Vorfeld infrage gestellt wurden. So ist der ehemalige Staatsanwalt Luis Fernando Padilla der gesetzliche Verteidiger sowohl von Hernández als auch von Abgeordneten, die in Korruptionsfälle verwickelt sind.
Die internationale Beobachtermission äußerte sich zufrieden mit der Wahl von "erstklassigen Juristen" und lobte die Gender-Parität, die erstmalig im Obersten Gerichtshof von Honduras eingehalten werde. Sie monierte jedoch, dass es keine ausreichende Debatte über die gewählten Richter:innen gegeben habe.
Miriam Miranda, Koordinatorin der afro-indigenen Organisation Ofraneh, die sich gegen Landraub in ihren angestammten Siedlungsgebieten wehrt, hofft auf Veränderungen durch die Wahl des neuen Gerichtshofes. "In den letzten Jahren wurden die Rechte von Kriminellen, die das Land ausbeuten, geschützt. Wir hoffen, dass das Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte (amerika21 berichtete), das uns die Rückgabe unseres Gemeindelandes zuspricht, umgesetzt wird."
Victor Fernández, ehemaliger Staatsanwalt und politischer Koordinator der Umweltbewegung MADJ äußerte gegenüber amerika21, der Nominierungsausschuss habe sehr gute Arbeit geleistet. Dessen Mitglieder seien jedoch großem Druck durch die politischen Parteien ausgesetzt gewesen. Bevor der Ausschuss die 45 Richter:innen ernannte, hätten die Parteien ihre Listen mit den Wunschkandidat:innen veröffentlicht und somit signalisiert, dass ihre Kandidat:innen bleiben müssten.
"Im Kongress entschieden die Interessen der Parteien, Gruppen und Familien. Es scheint, dass letztendlich sogar die Wahl der Präsidentin des Gerichtshofs im Vorfeld unter den drei Parteien vereinbart wurde. Wir vermuten, dass die gewählten Richter:innen sie in politischer Dankbarkeit ernannten. Ein weiteres Beispiel der politischen Einflussnahme ist die Ernennung der sechs stellvertretenden Richter:innen in derselben Nacht, was eine Veränderung der internen Verordnung des Gerichtshofes bedeutet, die es bisher nicht gab. Gleich zu Beginn hätten sie ihre Unabhängigkeit von politischen Interessen zeigen können, was sie nicht taten. Sollte es zu großen rechtlichen Entscheidungen kommen, sind wir besorgt, dass wirtschaftliche Interessensgruppen weiterhin das Justizsystem beeinflussen. Es wird sich zeigen, welcher Praxis der neue Gerichtshof folgen wird," gibt Fernández zu bedenken.
Die Wahl des neuen Obersten Gerichtshofes gilt als ausschlaggebend für die Entscheidung, ob es eine UN-Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit geben wird. Darüber hinaus muss bis zum 31. August dieses Jahres das leitende Amt der Generalstaatsanwaltschaft per Wahl neu besetzt werden.
aus: amerika21, https://amerika21.de/2023/02/262800/honduras-wahl-gerichtshof?pk_campaig...