12.02.2023 | Die Niederbarnimstraße in Berlin-Friedrichshain ist eine kleine, feine Straße mit 27 Hausnummern mitten im Herzen des um 1900 entstandenen Arbeiterkiezes. Solche „kurzen“ Straßen um die 300 Meter gibt es in Berlin über 2.000. Die allermeisten davon kennt kein Mensch – außer man wohnt da. Bei der ‚Niederbarnim‘ ist das etwas anders und das hat zwei wesentliche Gründe: Zum einen ist die ‚Niederbarnim‘ die Verlängerung der Simon-Dach-Straße, die mittlerweile in jedem Stadtführer der Welt als ein touristisches Muss steht. Zum anderen ist sie eine beliebte Ausweichroute für Autofahrer*innen, um neben der größten Ausfallstraße Richtung Osten – der Frankfurter Allee – auf Schleichwegen Richtung Lichtenberg und Köpenick zu kommen. Damit fangen auch die Probleme für die Anwohner*innen an: In Spitzenzeiten rattern bis zu 30.000 fahrende Heizungen pro Woche über das altehrwürdige Kopfsteinpflaster.
Berlin ist dafür bekannt, dass man über alle soziokulturellen Grenzen hinweg zusammenarbeitet und sich engagiert. Insbesondere in den Kiezen von Friedrichshain und Kreuzberg mit insgesamt über 260.000 Menschen. So haben sich im vergangenen Jahr ein paar Anwohner*innen zur Initiative „Niederbarnimstraße für Alle“ (www.NB-fuer-Alle.de) zusammengefunden, um die Zustände in ihrer Straße und im Kiez zu verhübschbessern. Von der Rentner*in bis zur Stadtplaner*in, vom alten weißen Mann bis zur jungen Aktivistin. Man hat offene Stammtische in und vor verschiedenen Kneipen veranstaltet, die Straßenbäume vor dem Dürretod des Hitzesommers gerettet, Flyer gebastelt und verteilt, eine Kundgebung auf der Straße organisiert, Lärmmessungen durchgeführt und sich am berlinweiten Spielstraßen-Aktionstag beteiligt.
Aber das Highlight des Jahres war definitiv das Entstehen des Parklets. Natürlich mit einen paar kleinen Extras wie einer Rampe und einer witterungsgeschützten Tauschbox. Die ‚Niederbarnim‘ hat auf der östlichen Straßenseite einen durchgehenden Bordstein von vorne bis hinten. Also ungefähr 50 parkende Autos am Stück – Auto an Auto. Seitdem nun das Parklet in der Mitte der Niederbarnim prankt, hat das ein Ende. Endlich gibt es wenigstens eine einzige Überquerungsmöglichkeit für Fußgänger*innen, Kinderwägen und Rollstühle.
Im November feiert die kleine bunte Truppe ihr einjähriges Bestehen. Für 2023 ist bereits ein Straßenfest und ein zweites Parklet im Gespräch. Wenn die Initiative in diesem Tempo weitermacht, dann ist Friedrichshain spätestens 2025 Vorreiter der Mobilitätswende.
Andreas P. Winter
aus: WanderfreundIn 04-2022