10.09.2023 | Die NaturFreunde Berlin begrüßen die Wahl von Bernardo Arévalo zum neuen Präsidenten in Guatemala. Mit der Wahl wurde für die Menschen in Guatemala die Chance für eine soziale und ökologische Entwicklung eröffnet. Die Wahl ist eine der wichtigsten Wahlen in der Geschichte des Landes. Mit seinem Versprechen, die grassierende Korruption zu bekämpfen, hat sich der neue Präsident selbst eine hohe Messlatte gesetzt. Er verspricht einen Bruch mit dem korrupten politischen System und will den „Pakt der Korrupten“ beenden.
Arévalo ist mit einem Reformprogramm in die Wahlen gegangen und will mehr staatliche Einbindung der Wirtschaft erreichen und sich für ein Recht auf Abtreibung einsetzen. Damit legt er sich direkt mit der Elite des Landes, die bisher Justiz, Wirtschaft und große Teile der Parteienlandschaft kontrolliert.
Wenn es gelingt, das Land aus den Fängen der korrupten Elite zu befreien, und gemeinsam mit Gewerkschaften, Basis- und indigene Bewegungen in einen Prozess hin zu einer gerechteren Gesellschaft einzutreten, kann eine soziale und nachhaltige eigenständige Entwicklung des Landes gelingen. Die NaturFreunde hoffen, dass Bernardo Arévalo die starren politischen wirtschaftlichen und rassistischen Strukturen im Land aufbrechen kann.
Guatemala ist politisch gespalten
Der neu gewählte Präsident wird es nicht leicht haben: Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament werden für seine Regierungsarbeit schwierig sein. Seine Partei „Movimiento Semilla“ ist nur drittstärkste Kraft im Parlament und stellt 21 von 160 Abgeordneten. Die progressiven Kräfte haben zusammen lediglich 58 Mandate im Parlament, so dass der Präsident einen schwierigen Prozess der der Rückgewinnung der Demokratie vor sich hat.
Gleichzeitig hat der Präsident mit 58 Prozent der Stimmen ein hervorragendes Ergebnis bekommen. Präsident Arévalo hat in 17 der 22 Departamentos gewonnen, in der Hauptstadt stimmten sogar 79,7 Prozent der Wähler*innen für ihn.
Mit der Legitimation durch die Wähler*innen kann es dem neuen Präsidenten hoffentlich gelingen, das starre Parteiensystem im Parlament zu verändern.
Armut und Hunger bekämpfen
In den nächsten Jahren wird es für den neuen Präsidenten darum gehen, die weitverbreitete Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen und dem Land eine neue, sozial-ökologische Perspektive zu geben. Die NaturFreunde unterstützen alle Bestrebungen, den Menschen in Guatemala eine bessere Zukunft zu ermöglichen. In Guatemala müssen 60 Prozent der Menschen von weniger als fünf Dollar am Tag leben. Armut, Unterernährung, fehlender Zugang zu einer ausreichenden Gesundheitsvorsorge sind deshalb an der Tagesordnung. In Guatemala gibt es die sechsthöchste Rate an unterernährten Kindern weltweit, in Lateinamerika mit Abstand die höchste Quote. Etwa 50 Prozent aller Kinder in Guatemala sind unterernährt, in der indigenen Bevölkerung sind es sogar 70-80 Prozent. Im Welthunger-Index 2022 belegt Guatemala Platz 79 von 121 Ländern. Gleichzeitig herrscht bei der wirtschaftlichen und politischen Elite ein unvorstellbarer Reichtum.
Die wirtschaftliche Entwicklung in Guatemala wird von wenigen Familien beherrscht, die den Markt für Zement, Bier, Immobilien und Nahrungsmittel unter sich aufgeteilt haben. Die Ankündigung des neuen Präsidenten, eine stärkere Rolle des Staates, öffentliche Investitionen in die Infrastruktur und die Gründung von Staatsunternehmen zu fördern, sind hier ein wichtiger Ansatz. Die NaturFreunde werden die neue Regierung an dieser Aussage messen. Von der Bundesregierung erwarten die NaturFreunde, dass sie die Abkehr vom extraktivistischen Wirtschaftsmodell, die Einhaltung des Lieferkettengesetzes und die Sicherung der Menschenrechte aktiv unterstützt.
Nur wenn es gelingt, den Hunger wirksam zu bekämpfen und den armen Menschen Perspektiven zu geben, wird Arévalo seine Regierung stabilisieren können. Die NaturFreunde werden diese Entwicklung mit Solidarität begleiten.
Korrupte Justiz muss in Schranken gewiesen werden
Das durch die Eliten kontrollierte Justizsystem hat im Vorfeld der zweiten Wahlrunde versucht, die Partei „Movimiento Semilla“ von der Wahl auszuschließen. Arévalo sprach im Juli 2023 von einem „technischen Staatsstreich“. Die guatemaltekische Bevölkerung hat zusammen mit Akteur*innen der internationalen Community auf diese Wahlmanipulation aufmerksam gemacht. Trotz der eingereichten Rechtsmittel wies das Verfassungsgericht die Klage der Partei ab, sodass weiterhin ein Prozess der Suspendierung möglich ist. Wir NaturFreunde sind besorgt, dass die korrupte Elite weiter versuchen wird, einen demokratischen Wandel mit allen Mitteln zu verhindern. Hier werden der internationale Druck und eine solidarische Unterstützung der neuen Regierung wichtige Voraussetzung für eine Demokratisierung des Landes sein. Die NaturFreunde Berlin erwarten von der Bundesregierung und der Europäischen Union konkrete Hilfen bei der Bekämpfung der Armut, den Schutz der Natur, der Menschenrechte und der Sicherung der Lebensgrundlagen für die Bevölkerung Guatemalas.