21.06.2017 | Der europäische Gedanken ist eng mit Freizügigkeit, Presse-, Reise und Versammlungsfreiheit, den unveräußerlichen Menschenrechten eines jeden Europäers, verbunden. Dies galt nicht für fünf Reisende, die am 15. März dieses Jahres nach Riga in die lettische Hauptstadt auf Einladung der Inititative „Lettland ohne Nazismus“ flogen. Als journalistische Begleitung mit Foto- und Schreib-aufträgen im Gepäck, war ich dabei.
Das Ziel war die Teilnahme an den Protesten am „Tag der Legionäre“. Alljährlich am 16. März marschieren an diesem Tag hunderte Letten nach dem traditionellen Gottesdienst in einem Umzug mit nationalschwangeren Symbolen zum sogenannten Freiheitsdenkmal Dort erinnern sie auch an die lettischen Einheiten der Waffen-SS. In dieser „nationalen Allianz“ wird die Rolle der Legionäre im Verbund mit den Deutschen Massenmorden geleugnet. Durch die lettischen Polizei und SS-Verbände wurden Zehntausende, darunter viele Jüd*innen, ermordet. Etwa 140 000 Letten waren Mitglied der „ Lettischen SS-Freiwilligenlegion“ und erhalten bis heute – soweit sie noch leben - eine Altersrente aus Deutschland.
Gleich nach der Ankunft wurden von allen Passagieren die Ausweise kontrolliert und ihre Papiere mit einer Liste abgeglichen. Fünf wurden aussortiert. Darunter der Autor. Wir wurden von der Grenzpolizei abgeführt. Die Begründung: Wir waren zu unerwünschten Personen erklärt worden. Vorhaltung: wir würden die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Lettland nach §61 des Einwanderungs-Gesetzes gefährden. Ein zweitägiges Aufenthaltsverbot bis zum 17. März wurde gegen alle ausgesprochen. Wir bekamen ein Angebot für die sofortige Ausreise. Alternativ bestand die Möglichkeit im „Lager für illegale Ausländer“ in Dauvagplis interniert zu werden. Die Fünf entschieden sich fürs Bleiben. Langwierige Gepäckkontrollen folgten. Alles vermeintlichen Demonstationsutensilien wurden dokumentiert.
Ich legte meinen internationalen Presseausweis vor und bestand darauf im Rahmen der europäischen Freizügigkeit zur Durchführung meiner Arbeitsaufträge in das Land zu reisen. Ohne Erfolg. Nach ausgiebiger Personalienfeststellung saßen wir vier Stunden später in der „Grünen Minna“. Auf Fragen an die „Transportpolizei“, „wohin es ginge?“ gab es keine Antwort. Nach 90 Minuten Fahrt stoppte der Gefangenen-Transporter. Per Mobiltelefon wurde der Ausweisungsbeschluss von einem deutschsprechender Beamten erläuterte und die Abschiebung mitgeteilt. Jede/r bekam eine Fahrkarte für den Fernbus nach Berlin. Nach einem erzwungenen Stopp des Fernbusses wurden wir in den Bus gebracht und abgeschoben.
Andere Mitreisende schafften es, den Kontrollen zu engehen und konnten am nächsten Tag gemeinsam mit lettischen Antifaschist*innen, gut abgeschirmt vom Freiheitsdenkmal, im Park gegen die Ehrung von Faschisten demonstrieren.
Lothar Eberhardt
aus: WanderfreundIn 02-16